Erhöhte Bindenahtfestigkeit bei Spritzgussbauteilen durch innovative Werkzeugmodifikation
Kurzfassung
Durch die Integration zusätzlicher Stempel im Werkzeug wird die Strömung der Schmelze an kritischen Stellen gezielt beeinflusst, wodurch eine ungünstige Orientierungen von Füllstoffen effektiv abgeschwächt und eine Bindenaht somit praktisch vermieden werden kann.
Hintergrund
Spritzgießen ist einer der am häufigsten verwendeten Urformprozesse in der Kunststoffindustrie. Auch partikel- oder faserverstärkte Verbundwerkstoffe lassen sich so kostengünstig herstellen. Bei dem Verfahren wird der Werkstoff bis in den schmelzeförmigen Zustand erwärmt und in ein Formnest gedrückt. Insbesondere bei der Herstellung komplexer dreidimensionaler Bauteile mit mehreren Angüssen oder Umfließungen von Hindernissen kommt es zur Bildung von Bindenähten. Sie entstehen, wenn die Fließfronten der Schmelze aufeinandertreffen und in diesem Zustand „einfrieren“.
Problemstellung
Bindenähte stellen vor allem bei fasergefüllten oder hoch-molekularen Kunststoffen eine mechanische Schwachstelle durch eine ungünstige Orientierung der Makromoleküle bzw. der Fasern senkrecht zur Hauptfließrichtung dar.
Um diese ungünstige Orientierungen aufzuheben reicht eine Optimierung der Verarbeitungsparameter nicht aus. Es bedarf einer mechanischen Einwirkung, wie sie bspw. im sogenannten Gegentaktspritzgießen umgesetzt wurde. Dieses und ähnliche Verfahren bringen jedoch viele Einschränkungen mit sich und sind sehr energie- und kostenintensiv.
Lösung
Im Bereich der Bindenaht wird am Werkzeug ein Stempel integriert, der im zurückgezogenen Zustand eine Nebenkavität freigibt. Diese wird während des Füllvorgangs mit gefüllt. Am Ende des Einspritzvorgangs drückt der Stempel diese Schmelze zurück in die Hauptkavität. Dadurch wird die Bindenaht durchströmt und die ungünstige Orientierung in diesem Bereich wird effektiv abgeschwächt.
Vorteile
- Erhebliche Festigkeitssteigerung in Bindenahtbereichen
- Insbesondere für gefüllte / faserverstärkte Bauteile
- Geringerer Maschinen- und Energieaufwand
- Funktion durch Simulationen gezeigt
- Einfache kostengünstige Modifikation
- Problemlos in bestehende Anlagen mit Kernzugsteuerung integrierbar
Anwendungsbereiche
Am Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart wurde eine Werkzeugmodifikation entwickelt, mit der es möglich wird, die Bildung dieser Schwachstellen zu vermeiden. Im Vergleich zu anderen Verfahren ist diese Technologie weniger aufwendig und günstiger. Darüber hinaus ist sie ressourcenschonend und auch in bestehende Werkzeuge integrierbar. Durch eine lokale, gezielte Modifikation wird der maschinelle und finanzielle Aufwand minimiert und macht somit komplexe spritzgegossene Bauteile noch leistungs- und konkurrenzfähiger. Dies ist insbesondere für Verbundbauteile von großem Nutzen; entsprechend groß ist das Anwendungspotenzial.