Neue antibakterielle Wirkstoffklasse gegen MRSA – zur Ausrüstung medizinischer Oberflächen geeignet
Kurzfassung
Abgeleitet von der privilegierten Struktur bakterieller Signalmoleküle wurde eine neue Strukturklasse mit antibiotischer Aktivität entwickelt. Die Verbindungen zeichnen sich durch eine hohe Aktivität und Selektivität gegen Problemkeime verbunden mit einer niedrigen Toxizität gegen menschliche Zellen aus. Es besteht somit die Gelegenheit zur Lizensierung einer neuartigen Antibiotika-Klasse, die neben multiresistenten Staphylokokken (MRSA) auch gram-negative Humanpathogene wie Moraxella- und Neisseria-Stämme inhibiert und darüber hinaus zur Imprägnierung von Materialien und Oberflächen geeignet ist.
Hintergrund
Laut Bundesgesundheitsministerium erkranken in Deutschland jährlich 400.000 bis 600.000 Patienten an Krankenhausinfektionen. 10.000 bis 15.000 Menschen sterben jedes Jahr daran (Stand: 5. April 2017). Dabei zählen Oberflächen wie die eines Blasenkatheters zu den größten Infektionsquellen. Die Weiterentwicklung der Keime selbst und damit neuer Resistenzen geschieht fortlaufend.
Problemstellung
Der stets wachsenden Zahl neuer resistenter Keime steht heute scheinbar der schwindende wirtschaftliche Anreiz für die Entwicklung neuer Wirkstoffklassen entgegen; die Zahl neuer verfügbarer Antibiotika-Klassen weltweit ist seit Jahren rückläufig. Ihre Entwicklung ist langwierig und kostenintensiv; neue Präparate können nur kurz zuverlässig wirken, bevor sich neue Resistenzen einstellen.
Dieser Trend ist für uns alle gefährlich, da MRSA-Keime sich vor allem dort verbreiten, wo wir am angreifbarsten sind – in den Krankenhäusern weltweit. Auch wird es immer schwieriger, neue Substanzklassen zu identifizieren – das Spektrum scheint mehr und mehr ausgereizt.
Lösung
Im Rahmen eines vom DFG, dem Marie Curie ZIF Zukunftskolleg-Stipendium sowie durch Fonds der chemischen Industrie geförderten Forschungsprojektes an der Universität Konstanz konnte nun eine gänzlich neue Antibiotika-Klasse entwickelt werden, die auch gegen multiresistente Krankheitserreger wie S. aureus hochwirksam ist. Dies konnte in vitro an Zellen diverser pathogener und nicht pathogener Bakterien nachgewiesen werden. Die erfindungsgemäßen Wirkstoffe besitzen eine neue chemische Struktur, die sich von den molekularen Signalen PQS und HHQ ableiten, zwei wichtige Faktoren in der mikrobiellen Kommunikation. Diese „Quorum sensing“-Signale koordinieren normalerweise die Virulenz pathogener Bakterien. Für diese neuen Strukturen, die nun gegen sie verwendet werden können, bestehen offenbar noch keine Resistenz-Mechanismen. Da sich der Wirkstoff auch zur Einbettung in unterschiedliche Materialien eignet, könnten zukünftig auch Infektionen durch medizinische Oberflächen wie die eines Blasenkatheters verhindert werden.
Vorteile
- Neuartige hochwirksame Antibiotika-Klasse
- Umgehung bestehender Resistenzen
- Wirksam gegen pathogene MRSA-Stämme
- Wirksam gegen gram-positive Erreger
- Wirksam gegen gram-negative Erreger
- Niedrige Toxizität gegen menschliche Zellen
- Wirkungsweise im Labor nachgewiesen
- Wirkstoffe zur Ausrüstung & Desinfektion von Materialoberflächen geeignet (medizinische Geräte, etc.)
Anwendungsbereiche
Antibiotika zählen zu den großen medizinischen Errungenschaften; bakterielle Infektionen wie Lungenentzündung, Scharlach oder Syphilis, die noch vor wenigen Jahrzehnten viele Opfer forderten, können heute erfolgreich behandelt werden. Multiresistente Keime entwickeln sind jedoch zu einer zunehmenden Bedrohung, da sie gegen die meisten vorhandenen Antibiotika-Klassen bereits resistent sind.
Publikationen und Verweise
Michaela Prothiwa, David Szamosvari, Thomas Böttcher,
"Wie Bakterien uns mit Naturstoffen krank machen."
https://doi.org/10.1002/nadc.201590400