Schnelle, automatisierbare Herstellung von Kurzfaser-Verbundmaterialien mit individueller Faserausrichtung
Kurzfassung
Das stereolithografische Verfahren nutzt eine bewegliche Bauplattform, die nach Aushärten durch Belichtung einer Laminatschicht beliebig rotieren kann. Die folgende Schicht kann in einem veränderten Winkel zur zuvor gedruckten Schicht aufgetragen und die Verstärkungsfasern entsprechend anders ausgerichtet werden. Dies ermöglicht die schnelle und automatisierte Herstellung eines komplexen faserverstärkten Funktionsbauteils mit gezielter Anpassung an spätere Lastfälle.
Das Verfahren ermöglicht Funktionsbauteile mit guten mechanischen Eigenschaften, insbesondere hoher Temperaturbeständigkeit und gleichzeitig einer hervorragenden Oberflächengüte.
Hintergrund
Strukturbauteile aus photoreaktiven Kunststoffen sind für den dauerhaften Einsatz bisher wenig geeignet, da sie weder ausreichend temperaturstabil noch mechanisch stark belastbar sind.
Problemstellung
Die gängigen additiven Fertigungsverfahren haben jeweils unterschiedliche Nachteile, beim ‚Fused Deposition Modeling‘ (FDM) kann man u. a. keine gute Oberflächenqualität in vertretbaren Zeiträumen und auch nur kleine Bauteilmengen realisieren, beim selektiven Lasersintern (SLS) und auch durch die bisherigen stereolithografischen Verfahren kann man die Kurzfasern weder gezielt ausrichten noch kompaktieren bzw. im Falle des DLP-Verfahrens ist dies zwar eingeschränkt möglich, aber die Herstelldauer bisheriger Verfahren ist sehr lang.
Zusammengefasst gibt es also bisher kein additives Fertigungsverfahren, welches sowohl sehr gute Oberflächen, als auch sehr gute mechanische Eigenschaften mit einem skalierbaren Anlagenkonzept und schneller Bauteilherstellung innerhalb des Fertigungsverfahrens ermöglicht.
Lösung
An der Universität Stuttgart konnte nun ein stereolithografisches Fertigungsverfahren basierend auf Flächenbelichtung und einer rotierenden Bauplattform entwickelt werden, das die o. g. Nachteile im Stand der Technik überwindet. Dabei erfolgt ein schichtweiser Aufbau des Laminats mittels unidirektional ausgerichteten Faserlagen, welche durch die rotierende Bauteilplattform verdreht an die vorherige Bauteilschicht angebracht, dann verpresst (Kompression) und die photoreaktive Matrix (Harz) durch Beleuchtung verfestigt wird. Die Ausrichtung der Fasern kann sowohl mechanisch, magnetisch, akustisch oder fluiddynamisch erfolgen. Der Aufbau erfolgt von oben nach unten, wobei zum Schluss die einzelnen Schichten nach Bedarf jeweils eine unterschiedliche Faserorientierung aufweisen.
Da die Belichtung simultan innerhalb der Schicht erfolgt, hat die Anzahl der zu fertigenden Objekte keinen Einfluss auf die Fertigungsdauer an sich.
Vorteile
- Additives Fertigungsverfahren für Faserverbundwerkstoff-Bauteile
- Fasern können schichtweise individuell einstellbar ausgerichtet werden, bspw. auch unidirektionale Ausrichtung möglich
- Hoher Faservolumengehalt durch Kompaktierung
- Alle Fasertypen sind verwendbar
- Bauteile herstellbar mit
- hoher Oberflächengüte
- sehr guten mechanische Eigenschaften
- hoher Temperaturbeständigkeit
- Schnelles, automatisierbares Verfahren
- Skalierbare Produktion
Anwendungsbereiche
Das neue Verfahren kann für Funktionsbauteile verwendet werden, die aktuell schon mittels additiver Fertigung hergestellt werden und für die strenge Anforderungen an die Belastbarkeit und den Einsatzzweck gelten sollen. Das Verfahren soll daher insbesondere die vorhandene Material-Lücke für die Individualisierung von Automobilkomponenten sowohl im Interieur- als auch Exterieurbereich aufgrund bis dato mangelnder Temperatur- und Bauteilstabilität beseitigen.
Zusammengefasst ermöglicht das neue Verfahren den Aufbau eines Kurzfaserverbundmaterials mit individuell einstellbarer oder unidirektionaler Faserorientierung und einem hohen Faservolumengehalt zur Herstellung von hochbelastbaren (maßgeschneiderten) Strukturbauteilen. Zum anderen gewährleistet das Verfahren eine schnelle, skalierbare und damit wirtschaftliche Produktion.